Zur Ambivalenz des Toleranzprinzips (Vortragsreihe "Toleranz: Ein Gebot und seine Grenzen")
Kostenfrei
Vortragsreihe "Toleranz: ein Gebot und seine Grenzen" an der Hochschule Konstanz
Die Vortragsreihe wendet sich ausdrücklich an ein Publikum ohne Vorkenntnisse in Philosophie, Ideen- oder Kulturgeschich -te, hat also einführenden Charakter.
Veranstaltungsdetails
Der Vortrag diskutiert die Ambivalenz des Toleranzbegriffs.
Einerseits scheint Toleranz eine Voraussetzung jeglichen Zusammenlebens
zu sein, andererseits birgt sie die Gefahr eines die Gesellschaft
destabilisierenden Ordnungsverlusts, wenn quasi jegliches Verhalten
hingenommen wird, alles als normal angesehen wird, was dem Begriff der
Normalität logischerweise widerspricht. Wenn alles normal ist, ist eben
nichts mehr normal.
Zunächst werden die ursprüngliche Bedeutung und der Entwicklungsgang des Begriffs dargestellt sowie begriffliche Abgrenzungen vorgenommen. Es wird gefragt, unter welchen Bedingungen Toleranz wirklich Ausdruck eines hohen ethischen Werts sein kann. Toleranz impliziert immer den Keim einer Tendenz zur Wurstigkeit und Beliebigkeit, die eigentlich das Gegenstück einer bürgerlichen Tugend darstellt. Anhand einer Auseinandersetzung mit Rainer Forsts Überlegungen zur Toleranz wird gezeigt, dass Toleranz immer eine Rahmung impliziert. Diese Rahmung ist letztlich kulturabhängig und nicht allein durch rationalistische Abstrahierungen zu erlangen. Toleranz kann nur im Rahmen eines kulturhistorisch disponier-ten Gesellschaftskonzepts praktiziert werden, das Stabilität für das Individuum und gesellschaftliche Institutionen garantieren kann. Eine absolute Toleranz gibt es nicht und kann es nicht geben, ja sie wäre ein Selbstwiderspruch.
Referent:
Klaus Wiegerling ist promovierter und
habilitierter Philosoph. Er arbeitete am Institut für
Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut
für Technologie (KIT) und lehrt an der TU Kaiserslautern. Er ist der
Leiter des »Arbeitskreises Ethik« im Forschungsprojekt »ABIDA –
Interdisziplinäre Analyse der gesamtgesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Folgen beim Umgang mit großen Datenmengen« des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Buchveröffentlichungen:
Philosophie intelligenter Welten, München 2011; Leib und Körper,
Göttingen 2008. Zuletzt erschien: Wiegerling, Klaus; Nerurkar, Michael;
Wadephul, Christian (Hg.): Datafizierung und Big Data. Ethische,
anthropologische und wissenschaftstheoreti-sche Perspektiven. Wiesbaden
2020.