Al-Andalus – der Traum religiöser Koexistenz (Vortragsreihe "Toleranz: Ein Gebot und seine Grenzen")
Kostenfrei
Vortragsreihe "Toleranz: ein Gebot und seine Grenzen" an der Hochschule Konstanz
Die Vortragsreihe wendet sich ausdrücklich an ein Publikum ohne Vorkenntnisse in Philosophie, Ideen- oder Kulturgeschich -te, hat also einführenden Charakter.
Veranstaltungsdetails
Fast achthundert Jahre lang, zwischen 710 und 1492, währte die islamische Herrschaft auf der iberischen Halbinsel, nachdem im achten Jahrhundert die Mauren über die Meerenge von Gibraltar nach Norden vorgestoßen waren.
Bis heute zeugen architektonische Denkmäler wie die Alhambra von Granada und die große Moschee von Córdoba von der Schönheit und Finesse maurischer Baukunst. In den glücklichsten Phasen dieser Herrschaft entstand, wie Georg Bossong schreibt, »ein einzigartiges Miteinander von Muslimen, Christen und Juden« im Gebiet des heutigen Spaniens und Portugals und führte zu »einer Blüte von Wissenschaft, Philosophie, Literatur und Kunst«. Im Mythos von Al-Andalus (daher stammt der Begriff Andalusien) lebt diese Idee einer multireligiösen und multiethnischen »Convivencia« fort, eines friedlichen, wirtschaftlich und kulturell prosperierenden Zusammenlebens, wie es in der Gegenwart etwa im Werk Juan Goytisolos oder Salman Rushdies beschworen wird oder in dem Konzept von Daniel Barenboims berühmten »West-Eastern Diwan Orchestra«, das in einem Kloster bei Sevilla probt.
Dieses friedliche Zusammenleben von Gläubigen der monothei-stischen Religionen Judentum, Christentum und Islam und in der Folge das Aufblühen von Dichtung und Philosophie, Baukunst und Musik, wissenschaftlicher Forschung und bildender Kunst, aber auch Diplomatie und Staatskunst, eine Phase der Aufklärung und Rationalität, währte nur kurze Zeit. Christlicher und islamischer Fundamentalismus, die Vertreibung der Juden und die rigiden Folgen der christlichen »Reconquista« zerstörten diesen Traum, der Realität geworden war, mit katastrophalen Folgen bis in unsere Tage. Aber Al-Andalus bleibt eine konkrete, einst gelebte Utopie, an die zu erinnern sich lohnt.
Referent:
Martin Hielscher studierte deutsche Literaturwissenschaft und Philosophie in Hamburg; Promotion über Wolfgang Koeppen. Mehr als 30 Jahre lang war er als Verlagslektor tätig, die längste Zeit für den Verlag C.H.Beck als Leiter des internationalen Belletristikprogramms. Zudem ist er Literatur kritiker, Redakteur, Übersetzer, Lehrer für kreatives Schreiben und Universitätsdozent und Honorarprofessor im Fach Literaturvermittlung an der Universität Bamberg. Er hat u. a. Bücher über Wolfgang Koeppen und Uwe Timm veröffentlicht und Romane von William Gaddis und Richard Ford übersetzt.